Die Böckchen-WG +++ Die Böckchen-WG +++ Die Böckchen-WG

Gruppenzusammensetzung

Ein Böckchen, das erfolgreich in einer Bockgruppe leben will, muss in Punkto Sozialkompetenz richtiggehend glänzen: es reicht nicht aus, wenn es sich selbst unterwerfen kann, sondern es muss auch die Unterwerfung anderer Tiere erkennen und akzeptieren. Weil nicht jeder Chef sein kann, haben die Böckchen einer Gruppe beides zu leisten, damit sich auf Dauer eine stabile Rangordnung bilden kann.

Babys bis zu einem Alter von ca. sechs Monaten laufen zuerst quasi als Neutrum in der Gruppe mit und stehen außerhalb der Rangordnung. Das gleiche gilt für alte Tiere, die irgendwann automatisch ihren Platz nicht mehr verteidigen und damit aus der Rangordnung ausscheiden. Wann genau ein Tier als „alt“ bezeichnet werden kann, ist ganz individuell verschieden. Manche Schweinchen sind bereits mit vier Jahren alt, andere mit sechs noch fit wie ein Turnschuh. Meist merkt man irgendwann, dass die Tiere insgesamt etwas tatteriger und auch klappriger werden, mehr und fester schlafen - sich eben benehmen wie Opis.

Die Jungböcke durchlaufen ab einem Alter von ca. sechs Monaten bis sie etwa anderthalb bis zwei Jahre alt sind die sogenannten „Rappelphasen“. Diese schubweise auftretenden Phasen von Anspannung und dem Willen, in der Rangordnung aufzusteigen, gehen oft mit der entsprechenden Aggressivität gegenüber den anderen Tieren in der Gruppe einher. Der Jungbock will sich etablieren, es festigt sich in dieser Lebensphase seine „Perschweinlichkeit“. Je nachdem, wer dabei mit diesem Tier interagiert, fällt das Ergebnis dieses Prozesses aus.

Zwicker und Mille

Große gemischte Bockgruppe

Diese Gruppenzusammensetzung ist aus meiner Sicht der Idealfall. Ich gehe davon aus, dass so eine große gemischte Gruppe aus mindestens vier Tieren verschiedenen Alters besteht, je mehr Tiere desto besser. In einer heterogenen Gruppe mit Tieren möglichst vieler verschiedener Altersklassen haben natürlich erst einmal die älteren Tiere die höheren Plätze in der Rangordnung inne und werden sie auch gegen Neulinge bis zu einem gewissen Punkt verteidigen, egal ob Jungspund oder erwachsenes Tier. Trotzdem ist bei dieser Konstellation eine Vergesellschaftung von Böckchen jeder Altersklasse möglich, wenn man den Kandidaten gut auswählt.

In so einer gemischten Gruppe herrscht eine hervorragende Sozialisierung der Böckchen. Die älteren Tiere erziehen die Jüngeren und weisen sie zurecht, wenn es ihnen zu bunt wird. Es wird vorkommen, dass öfters eines der älteren Tiere seinen Platz in der Rangordnung abtreten muss, wenn ein anderer nachrückt – das ist nur natürlich.

Deshalb sollte man unbedingt darauf achten, dass nicht zu viele rappelnde Jungböcke in einer Gruppe sind oder gar die ganze Gruppe nur aus solchen Rapplern besteht. Das passiert schnell, wenn man auf den gut gemeinten Rat hört, dass Babys sich problemlos miteinander vergesellschaften oder in eine bestehende Gruppe integrieren lassen. Dieser Fakt an sich stimmt auch, ist aber zu kurz gedacht. Jedes Baby wird älter, aus dem Neutrum wird ein Individuum, und dieses Individuum beansprucht einen eigenen Platz in der Gruppe und damit auch in der Rangordnung. Das kann für Unbedarfte so aussehen als würden quasi aus dem Nichts üble Streitereien aufkommen.

Die schlechteste Konstellation sind mehrere rappelnde Jungböcke im Alter bis zwei Jahre ohne erwachsene Böcke, die regulierend eingreifen könnten. Tiere im gleichen Alter sind nämlich oft auch gleich stark und können sich deshalb bis aufs Blut beharken. In vielen Fällen, zu denen ich von hilflosen Besitzern um Rat gefragt wurde, ließ eine solche Fehlplanung nur noch einen Schluss zu: trennen, aber sofort! Oft tickte ein Tier regelrecht aus und war überhaupt nicht mehr zu bändigen, während mindestens ein anderes so darunter litt, dass Parasiten, Pilz und Geschichtsabnahme die Folgen waren – von dauerhaft zerbissenen Rücken, Ohren und Nasen ganz zu schweigen. Ich habe auch schon von Todesfällen in diesem Zusammenhang erfahren und hoffe nichtsdestotrotz, dass jeder Halter erkennt wenn es nicht mehr geht und ein Tier so leidet, dass es gefährlich wird.

Das gilt übrigens nicht nur für Jungtiere, sondern für jede Art von Bockgruppe. Dort passiert eine Menge an Imponiergehabe und es kann auch mal im Eifer des Gefechts für einen kurzen Moment etwas brenzliger werden, aber das ist definitiv nicht als Dauerzustand anzusehen und schon gar nicht so lange „durchzuhalten“ bis alle Jungs erwachsen sind oder sich irgendwie mehr recht als schlecht arrangiert haben. Wer so eine ungünstige Gruppenzusammensetzung wählt, kann aus meiner bisherigen Erfahrung zu 90% davon ausgehen, dass das nicht weiterläuft ohne den Tieren auf Dauer schwer zu schaden.

Wie schafft man also Abhilfe? Jede Trennung hat endgültig zu sein, weil eine Vergesellschaftung und damit das Ausfechten der Rangordnung bei jedem neuen Zusammensetzen der Tiere von vorn beginnen. Das sollte man den Jungs keinesfalls zumuten. Die einfachste Möglichkeit ist, schnellstmöglich herauszufinden, wer in so einer nicht funktionierenden Gruppe trotzdem miteinander auskommt und wer ein Störenfried ist. Letztere(n) trennt man von den anderen, und hat dann zwei Möglichkeiten: entweder man lässt ihn/sie kastrieren und gibt ihm/ihnen nach der Kastrationsquarantäne von sechs Wochen Weibchen dazu; oder man schaut, ob und in welcher Konstellation er sich mit anderen Jungs verträgt. Für so einen dominanten Bock stehen die Chancen dafür allerdings eher schlecht. Dann bitte nicht zu viel herumprobieren, das stresst den Bock nur unnötig. Oft ist das einfach Charaktersache und muss vom Halter auch so akzeptiert werden. Schließlich kann man in die Köpfe der angeschafften Jungs nicht hineinschauen und gerade bei Babys auch ihre zukünftige Persönlichkeit nicht bestimmen. Wie dominant sie geraten sieht man halt erst, wenn sie erwachsen werden.

Die übrigen Tiere bleiben in ihrer Gruppe und werden sehr genau im Auge behalten. Gerade bei ausschließlich Jungböcken ist das auch keine ideale Lösung, deshalb kann man versuchen, einen bockgruppenerfahrenen erwachsenen Bock zu integrieren, eventuell sogar zwei. Das ist dann allerdings schon die Königsdisziplin an Vergesellschaftung, für die man wirklich ein goldenes Händchen bei der Auswahl des geeigneten Kandidaten braucht.

Es reicht demzufolge die Ergänzung einer bereits existierenden gemischten Gruppe um einen Jungbock, bei zweien wird es je nach Gruppengröße schon kritisch. Es sollte am besten jedem Rappler auch mindestens ein erwachsenes Tier über zwei Jahre gegenüberstehen. Jungböcke müssen im Verlauf ihres Erwachsenwerdens damit leben, von allen Seiten „auf die Zwölfe“ zu bekommen, wenn es den anderen zu anstrengend wird. Generell ist also eine ausgewogene Mischung von verschieden alten Jungs sehr wichtig.

Bockduos

Von Bockduos halte ich nicht viel. Sie funktionieren zwar in der Regel gut und sind sehr harmonisch bis fast langweilig, aber die Jungs werden irgendwann wie ein altes Ehepaar. Sie schießen sich regelrecht aufeinander ein. Stirbt einer von beiden, verliert der übrig gebliebene den einzigen Partner, den er sein Leben lang gekannt hat. Und das kann bis zur Nahrungsverweigerung und einem allgemein erlöschendem Lebenswillen gehen. Solche Tiere trauern ihrem Partner sehr hinterher und können ihm auch schnell auf die RBB nachfolgen, vor allem wenn kein neues Plätzchen in Gesellschaft für sie gefunden wird.

Insgesamt ist es schwer, so ein verbleibendes Tier neu zu vergesellschaften. Oft sind sie natürlich im fortgeschrittenen Alter, nicht kastriert und kennen nur einen Platz in der Rangordnung – echte „Problemfälle“ also. Sie haben zwar durch ihre Erfahrung mit einem Bock als Partner ganz gute Chancen, in eine große gemischte Gruppe integriert zu werden; aber dazu muss man erst einmal jemanden finden, der so eine Haltung hat und den Versuch wagt. Dazu kommt oft auch noch die mangelnde Bereitschaft, das Tier abzugeben. Soll es keine weiteren Schweinchen mehr im Haushalt geben, ist das aber die einzige Möglichkeit, dass der Bock nicht sein restliches Leben alleine vor sich hinvegetieren muss, ansonsten braucht er unbedingt – so oder so – neue Gesellschaft.

Ungerade Zahlen

Viele Halter verteufeln ungerade Zahlen von Tieren innerhalb einer Gruppe. Ganz besonders scheint das auf Bockgruppen zuzutreffen. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass zwei Tiere aus den oben genannten Gründen ungünstig sind und drei auch noch. Man hört dann oft den Spruch vom „dritten Rad am Wagen“, der hier auch voll zutrifft. Ab vier wird es erst richtig interessant. Dann spielt es in so einer großen Gruppe auch keine Rolle mehr, ob man eine gerade oder ungerade Anzahl Böckchen hält. Credo: je mehr, desto besser – unter der Voraussetzung natürlich, dass die Gruppe genug Platz hat und miteinander harmoniert.

Kastration trotz Bockgruppe?

Alles in allem ist es keine schlechte Idee, alle Böckchen einer Gruppe kastrieren zu lassen. Der Effekt ist die reine Zeugungsunfähigkeit. Eine Kastration ändert nichts am Sozialverhalten, das heißt die Jungs werden davon nicht ruhiger oder friedlicher, sondern sie sind immer noch „ganze Böcke“ und benehmen sich auch entsprechend. Zwei Jungs, die sich vorher nicht vertragen, werden das also auch ohne Bällchen nicht tun. Die Voraussetzungen für ein gutes Zusammenleben sind reine Sympathien der individuellen Tiere füreinander, und das leistet keine Kastration. Auch Kastraten prügeln sich bis auf Blut, wenn sie sich nicht ausstehen können.

Warum also trotzdem kastrieren? Ganz einfach: sollte irgendwann ein Bock aus einer Haltung übrigbleiben oder auch die Gruppe scheitern, ist es für einen Kastraten kein Problem ihn als die einfachere Haltungsvariante sofort mit Weibchen zu vergesellschaften. Einem älteren Tier möchte man ja nicht mehr unbedingt so eine OP zumuten; außerdem müsste der Bock anschließend die Kastrationsquarantäne von ca. sechs Wochen alleine absitzen, weil er in dieser Zeit noch „scharf schießt“, also für Nachwuchs sorgen kann. Was das in einem Harem mit drei oder vier Weibchen bedeutet, mag sich jeder selbst ausrechnen. Es macht also auch den Jungs in einer Bockgruppe das Leben wesentlich leichter, wenn sie durch ihre Kastration in alle Haltungsformen integrierbar sind.

Fazit

Das größte Problem an Bockgruppen ist, dass sie jederzeit kippen können. Zwei oder mehrere Jungs verstehen sich plötzlich nicht mehr, und dann braucht man Alternativen. Einige habe ich in diesem Artikel bereits beschrieben. Wir können zum Beispiel jede einzelne Etage unseres Geheges durch das Herausnehmen der Treppen und die Abdeckung der Luke abtrennen und haben damit Platz für bis zu vier Einzelgruppen. So ist es möglich, den Jungs auch weiterhin ein tiergerechtes Leben zu bieten, sollte das Zusammenleben in einer bestimmten Konstellation nicht mehr klappen.

Wie man hoffentlich auch herauslesen kann, sind Bockgruppen eine ganz besondere Angelegenheit, für die man viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl braucht. Die Mühe wird einem aber tausendfach vergolten wenn man beobachten kann, wie die Jungs miteinander interagieren und was für eine Meisterleistung diese kleinen Tiere in ihrem Sozialverhalten immer wieder bringen. Es macht für jemanden, der einen Sinn dafür hat und sich auch mit eventuellen Problemen auseinandersetzen kann, wirklich große Freude eine solche Gruppe bei sich zu beherbergen.

Jack und Jim